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Grenzen der Betroffenenrechte: Keine Einsicht in Auftragsverarbeitungsvertrag

Es geht um die Frage, ob ein Einzelner Anspruch auf Einsicht in einen zwischen einer Rundfunkanstalt und einem Inkassounternehmen geschlossenen Auftragsverarbeitungsvertrag nach Art. 28 DSGVO hat.
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Das vorliegende Urteil des Verwaltungsgerichtshofs (VGH) München behandelt die Frage, ob ein Einzelner Anspruch auf Einsicht in einen zwischen einer Rundfunkanstalt und einem Inkassounternehmen geschlossenen Auftragsverarbeitungsvertrag nach Art. 28 DSGVO hat. Der VGH lehnte diesen Anspruch ab und bestätigte damit die Entscheidung des Verwaltungsgerichts München.

Kläger verlangt Einsicht in Auftragsverarbeitungsvertrag

Der Kläger wurde seit 2013 zur Zahlung des Rundfunkbeitrags herangezogen. Im Jahr 2021 beauftragte die Rundfunkanstalt die P. GmbH als Inkassounternehmen zur Durchsetzung rückständiger Forderungen. Konkret handelte es sich um ausstehende Rundfunkbeiträge für den Zeitraum von April 2014 bis Juni 2015 in Höhe von 264,32 EUR. Der Kläger hatte im August 2021 beim Beklagten eine Auskunft nach § 11 Abs. 8 RBStV beantragt, welche im September 2021 erteilt wurde. In dieser Auskunft wurde als möglicher Empfänger von Daten unter anderem auch ein Inkassounternehmen genannt.

Am 29. September 2021 teilte die P. GmbH dem Kläger schriftlich mit, dass sie als Auftragsverarbeiterin im Sinne von Art. 28 DSGVO tätig sei und erläuterte ihre Rolle dabei. Daraufhin forderte der Kläger am 7. Oktober 2021 vom Beklagten Einsicht in den zwischen der Rundfunkanstalt und der P. GmbH geschlossenen Auftragsverarbeitungsvertrag gemäß Art. 28 DSGVO. Dieses Verlangen wurde vom Beklagten abgelehnt. Der Kläger erhob daraufhin Klage beim Verwaltungsgericht München mit dem Ziel, die Einsichtnahme in den Vertrag durchzusetzen. Das Verwaltungsgericht München wies diese Klage mit Urteil vom 6. Dezember 2023 ab. Auch der Antrag auf Zulassung der Berufung vor dem VGH München blieb ohne Erfolg.

Anspruchsgrundlage für Einsicht durch Betroffenen

Der Kläger argumentierte, dass ihm nach § 11 Abs. 8 Satz 1 RBStV ein Anspruch auf Einsicht in den Vertrag zustehe. Diese Vorschrift regelt das allgemeine Auskunftsrecht über die Verarbeitung personenbezogener Daten im Zusammenhang mit dem Rundfunkbeitrag. Der Kläger interpretierte diese Norm dahingehend, dass sie auch die Offenlegung des konkreten Auftragsverarbeitungsvertrags umfasst. Das Gericht stellte jedoch klar, dass dieser Paragraph lediglich ein allgemeines Auskunftsrecht über Empfänger und Kategorien von personenbezogenen Daten gewährt. Ein individuelles Recht auf Einsicht in den konkreten Vertrag lässt sich daraus nicht herleiten.

Darüber hinaus berief sich der Kläger auf Art. 28 DSGVO, der die Pflichten von Verantwortlichen und Auftragsverarbeitern festlegt. Der Kläger argumentierte, dass diese Vorschrift nicht nur die vertraglichen Pflichten regelt, sondern auch implizit ein Einsichtsrecht für betroffene Personen enthalte. Das Gericht wies dieses Vorbringen zurück und stellte klar, dass Art. 28 DSGVO kein individuelles Einsichtsrecht vorsieht. Vielmehr regelt die Vorschrift ausschließlich die Pflichten, die der Verantwortliche und der Auftragsverarbeiter im Rahmen ihrer Zusammenarbeit zu erfüllen haben.

Ein weiteres Argument des Klägers bezog sich auf Art. 15 DSGVO. Nach dieser Vorschrift haben betroffene Personen ein Recht auf Auskunft über die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten. Der Kläger versuchte, dieses Auskunftsrecht so auszulegen, dass es auch die Offenlegung interner Dokumente wie den Auftragsverarbeitungsvertrag umfasst. Das Gericht lehnte auch dieses Vorbringen ab und stellte klar, dass Art. 15 DSGVO lediglich ein Recht auf Informationen über die eigenen personenbezogenen Daten gewährt, jedoch kein allgemeines Recht zur Einsichtnahme in interne Dokumente vorsieht.

Unbeachtlichkeit eines Akteneinsichtsrechts

Der Kläger versuchte, seinen Anspruch auf Einsicht in den Auftragsverarbeitungsvertrag auf ein ungeschriebenes Akteneinsichtsrecht zu stützen, welches sich aus Art. 29 BayVwVfG ergeben könnte. Art. 29 BayVwVfG regelt das Akteneinsichtsrecht von Beteiligten in Verwaltungsverfahren. Nach diesem Grundsatz kann einem Beteiligten auf Antrag Einsicht in die das Verfahren betreffenden Akten gewährt werden, sofern ein berechtigtes Interesse nachgewiesen werden kann und dem keine überwiegenden öffentlichen oder privaten Interessen entgegenstehen.

In diesem Zusammenhang argumentierte der Kläger, dass er zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit des zwischen der Rundfunkanstalt und der P. GmbH geschlossenen Auftragsverarbeitungsvertrags Einsicht in diesen Vertrag nehmen müsse. Er machte geltend, dass ihm ohne diese Einsichtnahme die Möglichkeit genommen werde, selbst zu kontrollieren, ob der Vertrag die in Art. 28 Abs. 3 DSGVO vorgeschriebenen Inhalte erfüllt.

Das Gericht verwarf dieses Vorbringen jedoch mit der Begründung, dass die Kontrolle der Einhaltung der DS-GVO – insbesondere in Bezug auf den Inhalt und die Wirksamkeit eines Auftragsverarbeitungsvertrags – Aufgabe der zuständigen Aufsichtsbehörde sei. Ein individuelles Recht eines Betroffenen, diesen Vertrag eigenständig zu überprüfen, sei gesetzlich nicht vorgesehen. Zudem stellte der VGH fest, dass ein berechtigtes Interesse des Klägers, wie es für die Gewährung des ungeschriebenen Akteneinsichtsrechts erforderlich wäre, nicht vorlag. Der bloße Wunsch, selbst die Rechtmäßigkeit eines solchen Vertrages nachzuvollziehen, reiche nach Auffassung des Gerichts nicht aus, um ein berechtigtes Interesse im Sinne der geltenden Vorschriften zu begründen.

Das Gericht verwies dabei ausdrücklich auf die bestehenden Kontrollmechanismen durch die zuständige Datenschutzaufsichtsbehörde, die den betroffenen Personen einen ausreichenden Rechtsschutz garantiere. Daher wurde der Versuch des Klägers, sich auf das ungeschriebene Akteneinsichtsrecht zu berufen, als unbegründet abgelehnt

Zuständigkeit der Datenschutzaufsichtsbehörde

Die Zuständigkeit für die Kontrolle der Datenschutzkonformität von Rundfunkanstalten liegt gemäß Art. 51 Abs. 1 DSGVO und Art. 21 Abs. 1 Satz 2 BayRG beim Rundfunkdatenschutzbeauftragten. Dieser agiert als unabhängige Aufsichtsbehörde mit der Aufgabe, die Einhaltung der Datenschutz-Grundverordnung zu überwachen und deren Anwendung durchzusetzen.

Der Rundfunkdatenschutzbeauftragte ist befugt, im Rahmen einer Beschwerde nach Art. 77 DSGVO tätig zu werden. Diese Beschwerdemöglichkeit eröffnet betroffenen Personen die Möglichkeit, bei Verdacht auf Datenschutzverstöße eine formale Überprüfung einzuleiten. Im vorliegenden Fall betonte der VGH München, dass Betroffene, die Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten haben, in erster Linie diese Beschwerdemöglichkeit nutzen sollten.

Das Gericht stellte klar, dass die Überprüfung der Einhaltung von Art. 28 DSGVO, insbesondere hinsichtlich der in Auftragsverarbeitungsverträgen geregelten Verpflichtungen, explizit der Aufsichtsbehörde obliegt. Private Einzelpersonen können diese Prüfung nicht selbstständig durch eine direkte Einsicht in den Auftragsverarbeitungsvertrag durchführen. Diese klare Zuständigkeitsregelung verdeutlicht den Charakter der DS-GVO als umfassendes und kohärentes Schutzinstrument, das insbesondere den Behörden die Durchsetzung und Überwachung der Datenschutzvorgaben zuweist.

Kein Einsichtsrecht in Auftragsverarbeitungsverträge aus DSGVO

Insgesamt kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass weder der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag noch die Datenschutz-Grundverordnung ein individuelles Einsichtsrecht in Auftragsverarbeitungsverträge gewähren. Das Vorbringen des Klägers erwies sich daher als unbegründet.

Das Gericht lehnte die Zulassung der Berufung mangels ernsthafter Zweifel an der Richtigkeit des vorinstanzlichen Urteils ab. Zudem sah es keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und keinen Verfahrensmangel.

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Auswirkungen für die Praxis

Das Urteil verdeutlicht, dass die Datenschutz-Grundverordnung keine Transparenzpflicht hinsichtlich der Offenlegung von Auftragsverarbeitungsverträgen gegenüber Einzelpersonen vorsieht. In der Praxis sind daher Betroffene, die Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung haben, auf die Einschaltung der zuständigen Aufsichtsbehörde verwiesen.

Für Datenschutz- und Compliance-Verantwortliche bedeutet dies:

  • Die Gestaltung von Auftragsverarbeitungsverträgen sollte den Anforderungen von Art. 28 DSGVO exakt entsprechen. Allerdings haben Betroffene kein recht auf Einsicht in diese Verträge.
  • Betroffene sind über ihre Auskunftsrechte gemäß Art. 15 DS-GVO aufzuklären.
  • Es empfiehlt sich, den Kontakt zur zuständigen Datenschutzaufsichtsbehörde klar zu kommunizieren, um Transparenz und Rechtssicherheit zu gewährleisten.


Das Urteil bestätigt die etablierte Rechtsprechung zur Rolle der Datenschutzaufsichtsbehörde und klärt gleichzeitig die Grenzen individueller Rechte bei der Überprüfung von Auftragsverarbeitungsverträgen.

Quelle: Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 21.02.2025 – 7 ZB 24.651

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