Sind die langen Speicherfristen der Schufa bald Geschichte? Das Oberlandesgericht Köln sieht einen Verstoß gegen die DSGVO, wenn eine Auskunftei Negativeinträge nach Begleichung von Verbindlichkeiten nicht zeitnah löscht. Pikant: Die hessische Datenschutzbehörde hatte das Vorgehen der Schufa genehmigt.
Löschung nach Erfüllung der Verbindlichkeiten
Der Kläger, eine natürliche Person, wandte sich gegen Schufa, weil diese auch nach dem Ausgleich von drei unstreitigen Forderungen weiterhin entsprechende negative Zahlungseinträge gespeichert und für ihre Vertragspartner zum Abruf bereitgehalten hatte.
Im Einzelnen handelte es sich um folgende Forderungen:
- Eine titulierte Forderung über 150 € aus einem Vollstreckungsbescheid vom 15. August 2019, die der Kläger am 2. Dezember 2020 beglich.
- Eine mehrfach angemahnte Forderung über 428,27 € aus einer Rechnung vom 31. Januar 2020, bezahlt am 4. November 2021.
- Eine titulierte Forderung über 160,99 € aus einem Vollstreckungsbescheid vom 7. Februar 2022, die der Kläger im Dezember 2022 beglich.
Nachdem der Kläger diese Verbindlichkeiten erfüllt hatte, verlangte er von der Beklagten die Löschung der entsprechenden Negativmerkmale, immateriellen Schadenersatz in Höhe von mindestens 1.500 € sowie die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten.
Zum Zeitpunkt der Klageerhebung am 25. November 2023 waren die Forderungseinträge noch gespeichert. Im Laufe des Rechtsstreits löschte die Beklagte die ersten beiden Einträge nach Ablauf von drei Jahren seit Zahlung und den dritten Eintrag im Hinblick auf neue Verhaltensregeln für Wirtschaftsauskunfteien, die unter bestimmten Voraussetzungen eine Verkürzung der Speicherdauer auf 18 Monate vorsahen.
Nachdem die Beklagte die Löschungen vorgenommen hatte, erklärten die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt. Der Rechtsstreit konzentrierte sich sodann allein auf den Anspruch des Klägers auf immateriellen Schadensersatz sowie Erstattung seiner vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten.
LG Bonn: 3 Jahre Speicherfrist der Schufa durch DSGVO gedeckt
Das Landgericht Bonn wies die Klage ab. Es sah die weitere Speicherung der Einträge für jeweils drei Jahre durch Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO gedeckt. Zudem sei ein immaterieller Schaden nicht hinreichend dargelegt worden.
Hiergegen richtete sich die Berufung des Klägers. Er machte geltend, die Beklagte habe die Anforderungen an die Speicherdauer nicht beachtet, insbesondere hätte sie die Daten nach Begleichung der Forderungen zeitnah löschen müssen. Er berief sich dabei auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Speicherdauer negativer Bonitätsinformationen.
Die Beklagte verteidigte die erstinstanzliche Entscheidung. Sie verwies auf eigene empirische Studien, die eine erhöhte Wahrscheinlichkeit erneuter Zahlungsstörungen auch drei Jahre nach Begleichung einer Forderung belegten. Außerdem berief sie sich auf die später in Kraft getretenen neuen Verhaltensregeln für Auskunfteien.
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OLG Köln: Schufa-Daten sind nach Befriedigung der Forderung zeitnah zu löschen
Das Oberlandesgericht (OLG) Köln gab der Berufung des Klägers teilweise statt und setzte sich ausführlich mit den Anforderungen an die Datenverarbeitung durch Wirtschaftsauskunfteien auseinander (15 U 249/24).
Das Gericht stellte fest, dass die weitere Speicherung von Informationen über erledigte Forderungen über die jeweilige Erledigung hinaus gegen Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO verstößt. Nach dieser Norm ist die Verarbeitung personenbezogener Daten nur zulässig, wenn ein berechtigtes Interesse des Verantwortlichen oder eines Dritten vorliegt und die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person nicht überwiegen. Das OLG stellte fest, dass nach Erfüllung der Forderungen das schutzwürdige Interesse des Klägers an der Löschung seiner Daten überwiegt.
Besondere Bedeutung maß das Gericht der gesetzlichen Wertung des § 882e Abs. 3 Nr. 1 ZPO bei. Danach sind Eintragungen im Schuldnerverzeichnis unmittelbar nach Befriedigung der Forderung zu löschen. Diese gesetzliche Regelung führe zu dem Ergebnis, dass auch private Wirtschaftsauskunfteien verpflichtet seien, entsprechende Daten zeitnah nach Befriedigung der Forderung zu löschen, um Wertungswidersprüche zu öffentlich-rechtlichen Registern zu vermeiden.
Das OLG Köln berief sich dabei auf die aktuelle Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urteile C-26/22 und C-64/22), der eine unzulässige Überschreitung der Speicherfristen öffentlicher Register durch Wirtschaftsauskunfteien untersagt hatte. Diese Rechtsprechung sei auch auf Eintragungen im Schuldnerverzeichnis und vergleichbare private Negativdaten übertragbar.
Die Beklagte könne sich auch nicht mit Erfolg auf die vom Hessischen Datenschutzbeauftragten genehmigten neuen Verhaltensregeln nach Art. 40 DSGVO berufen. Das OLG stellte klar, dass solche Verhaltensregeln die Anforderungen der DSGVO nicht modifizieren oder relativieren können. Eine rechtswidrige Datenverarbeitung bleibt auch bei Einhaltung interner Verhaltensregeln rechtswidrig.
Schadensersatz wegen fortdauernder Spreicherung
Schließlich bejahte das OLG einen Anspruch auf immateriellen Schadensersatz nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO. Die fortdauernde Speicherung und Übermittlung der erledigten Forderungen habe sich nachweislich auf die Bonitätseinschätzung des Klägers bei verschiedenen Vertragspartnern ausgewirkt. Auch wenn konkrete wirtschaftliche Nachteile wie Kreditablehnungen nicht nachgewiesen werden konnten, reichte bereits die Rufschädigung für die Zuerkennung von Schadensersatz aus.
Das Gericht betonte, dass der immaterielle Schadensersatz nach der neueren Rechtsprechung des EuGH eine reine Ausgleichsfunktion habe. Eine abschreckende oder strafende Komponente dürfe nicht berücksichtigt werden. Unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls setzte das OLG das Schmerzensgeld auf 500 € fest.
Darüber hinaus sprach es dem Kläger anteilige vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten zu.
Die Revision wurde nur zugunsten der Beklagten zugelassen, um eine höchstrichterliche Klärung der Frage zu ermöglichen, ob § 882e Abs. 3 Nr. 1 ZPO auch auf Wirtschaftsauskunfteien anwendbar ist. Für den Kläger wurde die Revision hingegen nicht zugelassen.
Bedeutung für die Praxis
Dieses Urteil hat weitreichende Auswirkungen auf die Praxis von Wirtschaftsauskunfteien:
Verkürzte Speicherfristen: Informationen über erledigte Forderungen müssen künftig zeitnah gelöscht werden.
Risikosteigerung: Wirtschaftsauskunfteien sind erheblichen Haftungsrisiken ausgesetzt, wenn sie weiterhin auf veraltete Speicherpraktiken vertrauen.
Begrenzte Schutzwirkung von Verhaltensregeln: Die Genehmigung von Verhaltensregeln durch Datenschutzaufsichtsbehörden bietet keinen verlässlichen Schutz vor Schadensersatzansprüchen.
Klarere Abgrenzung öffentlicher und privater Register: Auch Daten aus anderen Quellen dürfen nicht länger gespeichert werden als entsprechende Eintragungen im öffentlichen Schuldnerverzeichnis.
Die Schufa hat bereits angekündigt, gegen das Urteil des OLG Köln Revision einzulegen. „Das Urteil widerspricht der von den Datenschutzaufsichtsbehörden genehmigten Regelung und weicht von der bisherigen Rechtsprechung ab“, erklärte die Schufa in einer Mitteilung.
Quelle: Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 10.04.2025 (15 U 249/24)