Die französische Wettbewerbsbehörde (Autorité de la concurrence) hat Apple am 31. März 2025 zu einer Geldstrafe von 150 Millionen Euro verurteilt. Grund war der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung beim Vertrieb mobiler Apps auf iOS- und iPadOS-Geräten zwischen April 2021 und Juli 2023. Die Details der Entscheidung im Überblick.
Apple führt App Tracking Transparency (ATT) ein
Im April 2021 führte Apple mit der Version 14.5 seiner mobilen Betriebssysteme iOS und iPadOS eine weitreichende Neuerung ein: die sogenannte App Tracking Transparency (ATT). Ziel dieser Maßnahme war es nach Angaben des Unternehmens, die Privatsphäre der Nutzerinnen und Nutzer zu stärken. ATT verpflichtet alle Apps von Drittanbietern, vor dem Zugriff auf die Identifier for Advertisers (IDFA) explizit die Zustimmung der jeweiligen Nutzerinnen und Nutzer einzuholen. Die IDFA ermöglicht ein geräteübergreifendes Tracking des Nutzerverhaltens und ist zentraler Bestandteil zielgerichteter Werbestrategien im App-Ökosystem.
Mit dem ATT wurde dieser Zugriff stark eingeschränkt, da sich die Nutzenden nun aktiv für das Tracking entscheiden müssen (Opt-In-Verfahren). Apple argumentiert, dass dies zu einer transparenteren und datenschutzfreundlicheren mobilen Nutzung beiträgt. Während diese Maßnahme auf den ersten Blick dem Geist der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) – insbesondere den Grundsätzen der Transparenz (Art. 5 Abs. 1 lit. a DSGVO) und der Datensparsamkeit (Art. 5 Abs. 1 lit. c DSGVO) – zu entsprechen scheint, sehen sich viele Marktteilnehmer mit einer Reihe von praktischen und rechtlichen Problemen konfrontiert.
Insbesondere wird kritisiert, dass Apple bei der Umsetzung des ATT seine eigenen Dienste nicht denselben restriktiven Vorgaben unterworfen hat. Während Drittanbieter mit aufwändigen Einwilligungsprozessen konfrontiert werden, greifen Apple-eigene Apps und Werbedienste wie “Apple Search Ads” weiterhin auf aggregierte Nutzerdaten zu – ohne eine vergleichbare Einwilligung einzuholen. Diese strukturelle Asymmetrie hat erhebliche Auswirkungen auf den Markt: Drittanbieter müssen um das Vertrauen der Nutzer werben und büßen dabei häufig Reichweite und Einnahmen ein. Apple hingegen agiert im Schutz der eigenen Systemumgebung, was einen potenziell wettbewerbswidrigen Vorteil darstellt.
Datenschutz als Vorwand zur Benachteiligung im Wettbewerb?
Die französische Wettbewerbsbehörde Autorité de la concurrence kam zu dem Ergebnis, dass die konkrete Ausgestaltung des ATT über das hinausgeht, was zur effektiven Wahrung der Datenschutzrechte erforderlich ist. Zwar sei das Ziel, den Nutzern mehr Kontrolle über ihre personenbezogenen Daten zu geben, grundsätzlich legitim.
Durch die obligatorischen Einwilligungsabfragen gegenüber Drittanbietern einerseits und den gleichzeitig privilegierten Zugriff Apples auf die eigenen Nutzerdaten andererseits entstehe jedoch ein verzerrtes Wettbewerbsumfeld. Insbesondere die technische und gestalterische Umsetzung – etwa die Gestaltung der Pop-Ups oder die Hürden beim Zugriff auf die IDFA – führe zu einer systematischen Benachteiligung externer Entwickler. Die Benutzeroberfläche sei nicht neutral gestaltet, sondern lenke das Nutzerverhalten zugunsten der Apple-eigenen Dienste. Apple als dominanter Gatekeeper im iOS-Ökosystem habe hier eine besondere Verantwortung.
Diese Asymmetrie wirke sich spürbar auf den Werbemarkt aus und gefährde die Geschäftsmodelle Dritter, die auf nutzungsbasierte Werbung angewiesen seien.
Datenschutzrechtlich kann eine solche Maßnahme also durch Art. 5 Abs. 1 lit. b und Art. 25 DSGVO (Datenschutz durch Technikgestaltung) gedeckt sein. Wettbewerbsrechtlich jedoch entsteht ein Spannungsverhältnis, wenn der Schutz der Privatsphäre als Vorwand genutzt wird, um konkurrierende Anbieter systematisch zu benachteiligen. Ein solcher Zielkonflikt verlangt eine besonders sorgfältige Prüfung der Verhältnismäßigkeit und Gleichbehandlung.
Kleinere Entwickler und Werbedienstleister systematisch benachteiligt
Besonders gravierend sind nach Ansicht der Wettbewerbshüter die Wettbewerbsverzerrungen für kleinere Entwickler und unabhängige Werbedienstleister. Diese Marktteilnehmer sind in hohem Maße auf eine funktionierende Infrastruktur für personalisierte Werbung angewiesen, da ihre Geschäftsmodelle zumeist auf nutzerbasierten Werbeeinnahmen beruhen. Die Möglichkeit, das Nutzerverhalten über verschiedene Apps hinweg zu analysieren und gezielt Werbung auszuspielen, ist für viele von ihnen die wirtschaftliche Grundlage. Wird ihnen der Zugang zu entsprechenden Tracking-Technologien wie der IDFA durch zusätzliche Hürden oder Einschränkungen erschwert, gerät dieses Modell ins Wanken.
Gleichzeitig behält sich Apple selbst weitreichende Zugriffsrechte auf Nutzerdaten vor, insbesondere für eigene Angebote wie Apple Search Ads. Diese Dienste sind tief in das Betriebssystem integriert und unterliegen nicht den gleichen Transparenz- und Einwilligungspflichten wie Drittanbieter. So entsteht ein ungleiches Spielfeld: Während externe Anbieter durch den ATT ausgebremst werden, kann Apple mit seinen eigenen Diensten ungestört weiter operieren. Diese Konstellation verschafft dem Unternehmen nicht nur einen wirtschaftlichen Vorteil, sondern reduziert auch die Vielfalt und Innovationskraft im Markt für mobile Anwendungen und digitale Werbung, erklärt die Autorité de la concurrence.
150 Millionen Euro Bußgeld: Apple als Gatekeeper in der Pflicht
Aufgrund der dargelegten Verstöße und der systematischen Benachteiligung konkurrierender Marktteilnehmer verhängte die französische Wettbewerbsbehörde eine empfindliche Geldbuße in Höhe von 150 Millionen Euro gegen Apple. Diese Entscheidung ist nicht nur als Reaktion auf das konkrete Verhalten zu verstehen, sondern auch als richtungsweisende Maßnahme zur Durchsetzung eines fairen Wettbewerbs in der digitalen Wirtschaft. Die Höhe der Sanktion signalisiert, dass selbst international agierende Technologiekonzerne mit dominanter Marktstellung nicht außerhalb regulatorischer Kontrolle agieren dürfen.
Die Entscheidung hat darüber hinaus eine weitreichende Signalwirkung für andere Plattformbetreiber, die eine Gatekeeper-Position im Sinne des Digital Markets Act innehaben. Sie verdeutlicht, dass nationale Wettbewerbsbehörden bereit sind, gegen Formen der Selbstbevorzugung, diskriminierender Schnittstellenpolitik oder asymmetrischer Datenschutzvorgaben vorzugehen.
Insgesamt unterstreicht das Verfahren die wachsende Relevanz des Wettbewerbsrechts als Regulierungsinstrument zur Sicherung funktionierender digitaler Märkte. Gerade vor dem Hintergrund der zunehmenden Konzentration von Marktmacht im Tech-Sektor stellt die Entscheidung einen wichtigen Schritt dar, um strukturelle Ungleichgewichte auszugleichen und die Innovationsfähigkeit kleinerer Marktteilnehmer zu schützen.
Quelle: Mitteilung der französischen Wettbewerbsbehörde Autorité de la concurrence