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BGH bestätigt: Wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch nach DSGVO-Verstoß bei Online-Arzneimittelbestellung

Kommt es im Online-Handel zu einem DSGVO-Verstoß, steht Mitbewerbern ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch zu.
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Mit seiner Entscheidung vom 27. März 2025 hat der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) eine praxisrelevante Grundsatzfrage an der Schnittstelle von Datenschutz- und Lauterkeitsrecht beantwortet: Die unzulässige Verarbeitung personenbezogener Gesundheitsdaten im Zusammenhang mit dem Onlinevertrieb von Arzneimitteln begründet nicht nur einen Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), sondern kann zugleich eine unlautere geschäftliche Handlung im Sinne des § 3a UWG darstellen. In diesen Fällen steht Mitbewerbern ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch zu.

Apotheker-Streit wegen Online-Handel mit Arzneimitteln

Im Mittelpunkt der Verfahren stand die Praxis von Apothekern, die über den Amazon-Marketplace apothekenpflichtige Arzneimittel vertreiben. Die Kläger – ebenfalls Apotheker – rügten, dass die Beklagten im Rahmen der Bestellabwicklung personenbezogene Daten ihrer Kunden ohne deren ausdrückliche Einwilligung verarbeiteten. Konkret ging es um Daten wie Name, Lieferadresse und andere sensible Informationen zur Individualisierung der Arzneimittel. Die Kläger machten geltend, dass es sich hierbei um Gesundheitsdaten im Sinne von Art. 9 Abs. 1 DSGVO handele, deren Verarbeitung ohne ausdrückliche Einwilligung unzulässig sei. Im Verfahren I ZR 222/19 wurde zudem gerügt, dass der Versand über Amazon gegen apotheken- und heilmittelrechtliche Vorschriften sowie berufsrechtliche Regelungen verstoße. Die Kläger begehrten jeweils Unterlassung, im Verfahren I ZR 222/19 auch Schadensersatz.

Die Vorinstanzen gaben den Klagen hinsichtlich des datenschutzrechtlichen Unterlassungsanspruchs statt. Hinsichtlich der geltend gemachten Verstöße gegen andere Rechtsvorschriften sowie des Schadensersatzanspruchs wurden die Klagen teilweise abgewiesen.

Der BGH hat das Verfahren I ZR 223/19 zunächst ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) Fragen zur Auslegung von Art. 9 DSGVO im Zusammenhang mit dem Online-Handel mit Arzneimitteln zur Vorabentscheidung vorgelegt. Mit Urteil vom 4. Oktober 2024 (C-21/23 – Lindenapotheke) bestätigte der EuGH, dass auch die Bestellung nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel Gesundheitsdaten im Sinne der DSGVO betrifft und deren Verarbeitung grundsätzlich einer ausdrücklichen Einwilligung bedarf. Nach der Entscheidung des EuGH wurde das Verfahren fortgesetzt.

Lese-Tipp: Datenschutzverstöße im Online-Handel – EuGH erlaubt Klagen durch Mitbewerber

Wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch nach DSGVO-Verstoß

Der BGH hat in seiner Entscheidung klargestellt, dass es sich bei der Verarbeitung von Bestelldaten im Zusammenhang mit dem Erwerb von Arzneimitteln um Gesundheitsdaten im Sinne von Art. 9 Abs. 1 DSGVO handelt – unabhängig davon, ob das Arzneimittel verschreibungspflichtig ist oder nicht. Die besondere Schutzbedürftigkeit ergibt sich aus dem Rückschluss auf konkrete oder potenzielle Gesundheitszustände des Betroffenen. Da die Verarbeitung dieser Daten im vorliegenden Fall ohne ausdrückliche Einwilligung der betroffenen Kunden erfolgte, lag ein klarer Verstoß gegen die DSGVO vor.

Zugleich stellt der BGH unmissverständlich fest, dass Art. 9 Abs. 1 DSGVO eine Marktverhaltensregel im Sinne des § 3a UWG darstellt. Zweck dieser Vorschrift sei unter anderem der Schutz des Verbrauchers bei der Marktteilnahme, insbesondere im Hinblick auf sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Die Entscheidung über die Preisgabe von Gesundheitsdaten im Rahmen eines Vertragsverhältnisses sei ein zentraler Bestandteil der geschützten Privatsphäre. Ein Verstoß gegen diese Pflicht sei daher geeignet, die Interessen von Mitbewerbern zu beeinträchtigen und könne Gegenstand einer wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsklage sein.

Im Ergebnis blieben die Revisionen der Beklagten ohne Erfolg, soweit sie sich gegen ihre Verurteilung zur Unterlassung richteten. Die Revision des Klägers im Verfahren I ZR 222/19 hatte nur insoweit Erfolg, als der Schadensersatzanspruch abgewiesen wurde. Im Übrigen wurde auch diese Revision zurückgewiesen.

Auswirkungen auf die Praxis

Die Entscheidung des BGH ist von erheblicher Bedeutung für die Praxis des E-Commerce und insbesondere für den digitalen Vertrieb von Gesundheitsprodukten. Der BGH bejaht explizit die wettbewerbsrechtliche Relevanz von Verstößen gegen datenschutzrechtliche Vorschriften – eine Linie, die sich bereits in früheren Entscheidungen zur Marktverhaltensregelqualität etwa von Art. 6 DSGVO (z. B. Facebook Fanpages, Planet49) andeutete, nun jedoch auf die besonders sensiblen Gesundheitsdaten erweitert wird.

Bemerkenswert ist auch die Klarstellung zur Einordnung von Arzneimittelbestellungen als Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten. Unternehmen, die bislang davon ausgingen, dass lediglich ärztliche Verordnungen unter Art. 9 DSGVO fallen, werden ihre Datenverarbeitungsprozesse überdenken müssen.

Die Entscheidung stärkt zugleich die Position von Mitbewerbern im Rahmen der privaten Rechtsdurchsetzung. Im Gegensatz zur oft trägen Verwaltungspraxis der Datenschutzaufsichtsbehörden eröffnet sich hier ein effektiver Weg, Datenschutzverstöße über das Lauterkeitsrecht zu sanktionieren. Unternehmen können sich nicht mehr darauf verlassen, dass fehlende Beschwerden der Betroffenen zur Untätigkeit führen. Ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch erweitert somit indirekt die Sanktionsmöglichkeiten eines datenschutzrechtlichen Verstoßes.

Quelle: BGH-Urteile vom 27. März 2025 – I ZR 222/19 und ZR 223/19

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