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EuGH-Urteil zu DSGVO-Bußgeldern: Welches Ermessen hat eine Datenschutzbehörde?

Muss eine Datenschutzbehörde bei einem DSGVO-Verstoß zwingend ein Bußgeld verhängen?
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Müssen Datenschutzbehörden bei Verstößen gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) zwingend Bußgelder verhängen? Mit dieser Frage hat sich jetzt der Europäische Gerichtshof (EuGH) befasst. Aus seinem fast schon salomonischen Urteil ergeben sich auch praktische Empfehlungen für Unternehmen.

EuGH: Aufsichtsbehörde muss keine Sanktion verhängen

Im Verfahren C-768/21 hat der EuGH eine zentrale Frage des Datenschutzes behandelt: Welche Pflichten hat eine Aufsichtsbehörde im Falle einer Verletzung des Schutzes personenbezogener Daten? Insbesondere wurde geklärt, ob eine Aufsichtsbehörde Abhilfemaßnahmen wie die Verhängung einer Geldbuße ergreifen muss, wenn sie einen Verstoß gegen die DSGVO feststellt.

Der EuGH entschied, dass die Aufsichtsbehörde ein Ermessen hat und nicht in jedem Fall eine Sanktion verhängen muss.

Ausgangspunkt des Verfahrens war ein Vorabentscheidungsersuchen des Verwaltungsgerichts Wiesbaden. Im Kern ging es um die Frage, ob die Aufsichtsbehörde nach Feststellung eines Verstoßes gegen die DSGVO stets eine Abhilfemaßnahme ergreifen, insbesondere ein Bußgeld verhängen muss. Der Kläger des Ausgangsverfahrens hatte sich darüber beschwert, dass die Sparkasse X einen unbefugten Zugriff auf seine personenbezogenen Daten nicht gemäß Art. 34 DSGVO gemeldet hatte. Der Hessische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit (HBDI) bejahte den Verstoß, sah aber davon ab, Abhilfe zu schaffen. Er teilte die Einschätzung der Sparkasse, dass für den Beschwerdeführer kein hohes Risiko bestand.

Bußgelder als Ermessensentscheidung

Der EuGH hatte über die Auslegung von Art. 57 Abs. 1 Buchst. a und f sowie Art. 58 Abs. 2 DSGVO zu entscheiden. Diese Bestimmungen betreffen die Aufgaben und Befugnisse der Aufsichtsbehörden in Bezug auf Datenschutzverstöße. Die zentrale Frage war, ob eine Aufsichtsbehörde bei jedem festgestellten Verstoß eine Maßnahme ergreifen muss.

Der Gerichtshof entschied, dass die Aufsichtsbehörde über ein Ermessen verfügt. Sie ist nicht in jedem Fall verpflichtet, Abhilfemaßnahmen zu ergreifen. Die Maßnahmen müssen angemessen, erforderlich und verhältnismäßig sein, um die festgestellte Unzulänglichkeit zu beheben. Dies bedeutet, dass eine Aufsichtsbehörde in bestimmten Fällen von Sanktionen, einschließlich Geldbußen, absehen kann, wenn die festgestellten Mängel behoben wurden und keine weiteren Verstöße zu erwarten sind.

Der EuGH stellte klar, dass das Ziel der DSGVO darin besteht, ein hohes und einheitliches Schutzniveau für personenbezogene Daten zu gewährleisten. Die Aufsichtsbehörde hat dabei die Pflicht, die Einhaltung der Verordnung sicherzustellen. Sie ist jedoch nicht gezwungen, in jedem Einzelfall Sanktionen zu verhängen. So kann etwa im Falle eines geringfügigen Verstoßes oder wenn Maßnahmen zur Vermeidung zukünftiger Verstöße bereits ergriffen wurden, auf Sanktionen verzichtet werden.

Lese-Tipp: Die fünf höchsten DSGVO Bußgelder im August 2024

Auswirkungen des EuGH-Urteils für Unternehmen

Das EuGH-Urteil ist auch für die strategische Planung von Datenschutzmaßnahmen in Unternehmen von erheblicher Bedeutung.

1. Stärkerer Fokus auf umfassende Compliance-Programme
Unternehmen müssen über die bloße Erfüllung gesetzlicher Anforderungen hinausgehen und den Datenschutz als integralen Bestandteil ihrer Geschäftsstrategie betrachten. Die Umsetzung von Datenschutzmaßnahmen muss proaktiv und dokumentiert erfolgen.

2. Umgang mit Inkonsistenzen innerhalb der EU
Die unterschiedliche Anwendung der DSGVO durch die Datenschutzbehörden in verschiedenen EU-Mitgliedstaaten kann international tätige Unternehmen vor Herausforderungen stellen. Eine konsistente, aber flexible Datenschutzstrategie ist erforderlich, um diesen Herausforderungen zu begegnen.

3. Bedarf an rechtlicher Beratung
Unternehmen sollten regelmäßig Rechtsberatung in Anspruch nehmen, um sicherzustellen, dass ihre Datenschutzpraktiken auf dem neuesten Stand sind und den Auslegungen der verschiedenen nationalen Behörden entsprechen.

4. Verantwortlichkeit und Rechenschaftspflicht
Die Entscheidung betont die Bedeutung von Verantwortlichkeit und Transparenz im Umgang mit personenbezogenen Daten. Unternehmen müssen nachweisen können, dass ihre Verarbeitungstätigkeiten den Grundsätzen der Datenschutz-Grundverordnung entsprechen.

DSGVO-Bußgelder vermeiden: Handlungsempfehlungen für Unternehmen

  • Überprüfung der Datenschutzrichtlinien: Es ist von entscheidender Bedeutung, dass Unternehmen ihre Datenschutzrichtlinien regelmäßig überprüfen und anpassen, um die Einhaltung zu gewährleisten und auf dem neuesten Stand zu bleiben.
  • Schulung und Sensibilisierung: Durch regelmäßige Schulungen können Unternehmen sicherstellen, dass ihre Mitarbeiter über die Datenschutzbestimmungen informiert sind und diese verstehen.
  • Erstellung und Aktualisierung von Reaktionsplänen: Ein wirksamer Plan für den Umgang mit Datenpannen ist unerlässlich. Dieser sollte klare Richtlinien für Sofortmaßnahmen und Kommunikationsstrategien enthalten.
  • Beobachtung der regulatorischen Landschaft: Unternehmen sollten die Entwicklungen und Richtlinien der verschiedenen Datenschutzbehörden aktiv verfolgen, um ihre Strategien entsprechend anpassen zu können.

Datenschutzmanagement jetzt anpassen

Das EuGH-Urteil markiert einen wichtigen Punkt in der Anwendung der DSGVO und betont die Notwendigkeit eines differenzierten Ansatzes im Datenschutzmanagement. Unternehmen sind aufgefordert, ihre Datenschutzverfahren nicht nur zu überdenken, sondern auch proaktiv zu gestalten, um den Anforderungen und Erwartungen gerecht zu werden.

Nutzen Sie die Gelegenheit, Ihre Datenschutzstrategien zu stärken. Eine proaktive Herangehensweise und die ständige Anpassung an die rechtlichen Rahmenbedingungen sind essentiell, um das Vertrauen Ihrer Kunden zu sichern und regulatorische Risiken zu minimieren. Engagieren Sie Datenschutzexperten, um Ihre Praktiken und Prozesse kontinuierlich zu verbessern und an die dynamische Datenschutzlandschaft anzupassen.

Quelle: Urteil des EuGH vom 26.09.2024 (C-768/21 )

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