Wer ohne Einwilligung zu Werbezwecken kontaktiert wird, kann selbstverständlich Unterlassung fordern. Das begründet aber nicht automatisch einen Anspruch auf Schadensersatz. Um ein Schmerzengsgeld zu erhalten. Wie der Bundesgerichtshof (BGH) im Verfahren VI ZR 109/23 klarstellt, muss der Betroffene vielmehr nachweisen, dass ihm durch den Verstoß tatsächlich ein fühlbarer Schaden entstanden ist.
Schmerzensgeld für unzulässige Werbung
Der Kläger kaufte im Januar 2019 bei der Beklagten Aufkleber mit der Aufschrift “Betteln und Hausieren verboten”. Der Beklagte war ein Anbieter solcher Produkte und stand mit dem Kläger in keiner weiteren Geschäftsbeziehung. Am 20. März 2020 erhielt der Kläger eine E-Mail des Beklagten, in der dieser mitteilte, dass sein Dienst aufgrund der Corona-Pandemie weiterhin in vollem Umfang zur Verfügung stehe. Der Kläger betrachtete diese E-Mail als unzulässige Werbung und widersprach noch am selben Tag per E-Mail der Verwendung seiner personenbezogenen Daten zu Werbezwecken und verlangte Schadensersatz in Höhe von 500 €.
Da die Beklagte auf diese E-Mail nicht reagierte, wiederholte der Kläger seinen Widerspruch und seine Forderung per Telefax am 6. April 2020. Mit seiner Klage begehrte der Kläger, der Beklagten zu untersagen, ihn ohne seine Einwilligung zu Werbezwecken zu kontaktieren, und verlangte Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 500 € nebst Zinsen.
Das Landgericht hat dem Unterlassungsanspruch stattgegeben, den Schadensersatzanspruch jedoch abgewiesen. Die Berufung des Klägers vor dem Landgericht Rottweil wurde zurückgewiesen, woraufhin der Kläger Revision beim Bundesgerichtshof einlegte.
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Der BGH wies die Revision des Klägers zurück und entschied, dass kein Anspruch auf immateriellen Schadensersatz besteht. Das Gericht bejahte zwar einen Verstoß der Beklagten gegen die DSGVO, da die Nutzung der E-Mail-Adresse des Klägers zu Werbezwecken ohne dessen Einwilligung erfolgt sei. Dennoch sah das Gericht keinen hinreichend dargelegten immateriellen Schaden.
Das Berufungsgericht hatte die Klage des Klägers mit der Begründung abgewiesen, dass der behauptete Schaden nicht erheblich genug sei, um die sogenannte Bagatellgrenze zu überschreiten. Der BGH stellte klar, dass der Begriff des immateriellen Schadens unionsrechtlich weit auszulegen sei und keine bestimmte Erheblichkeitsschwelle überschritten werden müsse, um einen Schadensersatzanspruch nach Art. 82 DSGVO zu begründen. Ein rein hypothetischer oder nur subjektiv empfundener Schaden reiche jedoch nicht aus.
Ein immaterieller Schaden kann nach Ansicht des BGH auch dann vorliegen, wenn eine Person einen Kontrollverlust über ihre personenbezogenen Daten erleidet. Dies setzt jedoch voraus, dass ein tatsächlicher Kontrollverlust substantiiert dargelegt wird. Der Kläger habe nicht darlegen können, dass seine Daten unkontrolliert an Dritte weitergegeben worden seien oder er in sonstiger Weise die Herrschaft über seine Daten verloren habe. Auch die Befürchtung des Klägers, seine Daten könnten in Zukunft missbraucht werden, reicht für einen Schadensersatzanspruch nicht aus. Eine abstrakte Befürchtung weiterer Rechtsverletzungen ohne konkrete Auswirkungen reichte dem Gericht nicht aus.
Darüber hinaus verneinte der BGH einen immateriellen Schaden, der auf einer Missachtung des Klägers durch die Nichtreaktion des Beklagten beruhe. Zwar könne ein wiederholtes Ignorieren von Betroffenenrechten im Zusammenhang mit Datenschutzverstößen belastend sein, dies sei aber nur dann relevant, wenn daraus ein nachweisbarer Schaden resultiere. Im vorliegenden Fall konnte ein solcher Nachweis nicht erbracht werden.
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Der BGH hat mit dem Urteil die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs bestätigt, wonach der Schadensersatzanspruch nach Art. 82 DSGVO nicht von der Erheblichkeit des Schadens abhängt. Diese Klarstellung stärkt den Schutz der Betroffenen vor Datenschutzverstößen, indem klargestellt wird, dass auch geringfügige Verstöße grundsätzlich einen Schadensersatzanspruch begründen können.
Der BGH hat aber auch betont, dass der Nachweis eines tatsächlichen immateriellen Schadens erforderlich ist. Der Betroffene muss darlegen können, dass er durch die Datenschutzverletzung konkrete negative Folgen erlitten hat. Ein bloßer Kontrollverlust über personenbezogene Daten oder die hypothetische Gefahr eines Datenmissbrauchs reichen nicht aus. Ebenso wenig genügt es, wenn die Betroffenen lediglich ein ungutes Gefühl oder diffuse Ängste haben. Vielmehr müssen sie konkrete Beeinträchtigungen wie psychische Belastungen, spürbare Einschränkungen im Alltag oder andere objektiv nachvollziehbare Auswirkungen nachweisen können.
Das Urteil entlastet Unternehmen, indem es klarstellt, dass formale Verstöße gegen die DSGVO nicht automatisch zu Schadensersatzansprüchen führen. Gleichzeitig stärkt es aber auch den Schutz der Rechte der Betroffenen, indem es die Notwendigkeit eines eindeutigen Schadensnachweises betont. In der Praxis dürfte das Urteil für mehr Rechtssicherheit sorgen und verhindern, dass Unternehmen wegen Bagatellverstößen unverhältnismäßig hohen Forderungen ausgesetzt sind.
Fonte: Urteil des Bundesgerichtshof vom 28. Januar 2025 (VI ZR 109/23)